Berufspolitik

Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen
 
die Entfremdung zwischen Politik und Bürgern ist erschreckend und davon ist zunehmend auch die kommunale Ebene betroffen. Die Wiederholung der Wahl in Berlin ist ein bundesweit bekanntes Beispiel, wie Vertrauen verloren geht. Energiekrise, die finanziellen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs, Flüchtlingskrise und Vertrauenskrise - die Herausforderungen für das Jahr 2023 sind enorm.
Vor wenigen Wochen hat der Gemeindetag Baden-Württemberg gemeinsam mit den anderen Landesverbänden unter der Überschrift „Kein weiter so“ mehr als einen Hilferuf von sich gegeben. Der Verbandsvorstand hat einstimmig beschlossen, die Aktivitäten zu unterstützen. Bis jetzt ist die verantwortliche Politik nicht bereit, in den dabei vorgeschlagenen Prozess einzusteigen. Dies wird aber unumgänglich sein. Umfragen zeigen, die Bürgerinnen und Bürger erwarten ehrliche Antworten. Wer klar und deutlich kommuniziert, warum es diese und jene Leistung in Zukunft nicht mehr geben wird, findet nicht nur Akzeptanz. Ehrliche Antworten sind gefragt und nicht hoffnungsvolle Ankündigungen, der öffentliche Dienst werde dies schon schaffen. Das Vertrauen muss dort, wo es verloren gegangen ist, zurückgeholt werden. Dies wird ein schwerer Weg.
 
Zwei Gewerkschaftstage liegen hinter uns. Ende November 2022 tagten die Delegierten des dbb in Berlin und Anfang Dezember 2022 war in Leinfelden- Echterdingen die Arbeitssitzung und öffentliche Kundgebung des bbw. Ausführliche Berichte und Beilagen finden Sie in der aktuellen Verwaltungszeitung. Glückwunsch an Kai Rosenberger, der mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde. Glückwunsch an unseren Vorstandskollegen Eberhard Strayle zu seiner Wahl als stellvertretender Vorsitzender des bbw.
Zum 1. Dezember 2022 ist das 4-Säulen-Modell in Kraft getreten. Ein großer Erfolg nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen, die zum Teil umfangreiche Nachzahlungen bekommen haben. Das Einstiegsamt im gehobenen Dienst ist ab sofort A 10. Eine Forderung, für die der VdV seit vielen Jahren gekämpft hat.
Die Verschlechterungen bei der Beihilfe wurden weitestgehend zurückgenommen, ein weiterer Erfolg der Berufsverbände. Neu eingeführt wurde die pauschale Beihilfe. Hier ist äußerste Vorsicht geboten. Die Wahlfreiheit beim Einstieg in die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Einbahnstraße. Schauen Sie genau hin. Für die meisten dürfte dieser Schritt mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Ein späterer Wechsel in die private Krankenversicherung ist nicht mehr möglich. Die Entscheidung ist lebenslang bindend. Was anfangs für Beamtenanfänger attraktiv scheint, kann später ein Fehler sein. Auch ein Wechsel zum Bund oder in ein anderes Bundesland, das die pauschale Beihilfe nicht anbietet, bringt Nachteile.
Ein Problem das man beschweigt, wird immer größer. Dies gilt seit 1. Januar 2023 für die verfassungskonforme Besoldung. Durch die Einführung des Bürgergeldes und die Wohngeldreform steigen die Sozialleistungen und das Abstandsgebot ist wohl nicht mehr gewährleistet. Übrigens hat der VdV auf diese Problematik mit Blick auf die höheren Besoldungsgruppen frühzeitig im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen. Begrüßt wird die Ankündigung von Finanzminister Danyal Bayaz, wonach das Land Nachzahlungen rückwirkend leisten wird, sollten sich die Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsanpassungs- und Änderungsgesetzes als nicht verfassungskonform erweisen. Wir bleiben an dem Thema dran. Dranbleiben werden wir ebenso beim Thema Lebensarbeitszeit. Hier soll in diesem Jahr die im Koalitionsvertrag gemachte Zusage umgesetzt werden. Vorbild soll Hessen sein. Keine Bewegung gibt es bisher bei der Wochenarbeitszeit.
Die ersten Streiktage aufgrund der Tarifverhandlungen liegen bereits hinter uns. Die Auswirkungen sind unterschiedlich. Spannend wird sein, wie und in welcher Form das Ergebnis von der Politik auf die Beamtinnen und Beamten übertragen wird.
Die Aufgaben und Herausforderungen für das Jahr 2023 sind vielfältig. Gefragt ist - nicht nur von der Politik - Wertschätzung statt Misskredit für die Beamtinnen und Beamten.
 

Ihr
Jochen Müller
Verbandsvorsitzender


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